Wenn es um Biodiversit?t geht, stehen tropische Regenw?lder an der Spitze. Sie bedecken nur etwa zw?lf Prozent der globalen eisfreien Landfl?che, aber mehr als die H?lfte aller Tierarten des Planeten lebt im Regenwald. Diese gro?e Vielfalt an Lebensformen macht den Dschungel auch zu einem H?rerlebnis. Insekten, V?gel, Affen und andere Tiere liefern sich einen ununterbrochenen akustischen Wettstreit.
Sie schaffen mit ihrem Zirpen, Zwitschern, Schreien und Singen eine überw?ltigende Ger?uschkulisse. Es ist laut, sehr laut. Und aufschlussreich: ?Wenn man die Essenz des Waldes erfassen will, dann muss man ihm zuh?ren“, sagt Topher White. ?Mit dem Auge sieht man nur die B?ume in der n?chsten Umgebung.“ Die Kl?nge des Urwalds dagegen seien gehaltvoller, findet der Technologieexperte, sie ?stecken voller Informationen“.
Die Welt verliert Millionen Hektar Regenwald durch illegales Abholzen
Aber diese Vielfalt ist bedroht – vor allem durch illegale Abholzung. Seit 1950 ist nahezu die H?lfte aller weltweit vorhandenen tropischen Regenw?lder verschwunden. Sch?tzungen zufolge hat der Raubbau einen Anteil von 50 bis 90 Prozent an der Vernichtung der Regenw?lder.
Allein 2018 wurden zw?lf Millionen Hektar Regenwald zerst?rt. Zusammengenommen ist das eine Fl?che, die gr??er ist als die aller deutschen Waldgebiete. Die Regenw?lder schrumpfen weltweit so schnell, dass sie bis 2100 verschwunden sein k?nnten.
Darum hat der amerikanische Ingenieur Topher White (38) die ?Forest Guardians“ entwickelt, ein in Waldgebieten verteiltes Netzwerk aus recycelten Handys, die mit Mikrofonen und Solarmodulen zu ?elektronischen Ohren“ werden und Ger?usche identifizieren k?nnen. Darunter auch die von Motors?gen, die bei illegalen Rodungen eingesetzt werden.
?Wir bilden Partnerschaften mit lokalen St?mmen, NGOs, Regierungsbeh?rden und Gesellschaftsgruppen und k?nnen diese alarmieren, damit sie unmittelbar vor Ort eingreifen und illegale Aktivit?ten in Echtzeit unterbinden k?nnen“, sagt White. Für sein Projekt wurde er im Rahmen der Rolex Preise für Unternehmungsgeist ausgezeichnet.
Der Preis für au?ergew?hnliche Frauen und M?nner
Die Rolex Preise für Unternehmungsgeist sind Teil der Kampagne ?Perpetual Planet“. Die Schweizer Luxusuhrenmanufaktur unterstützt seit mehr als vier Jahrzehnten laufende oder vision?re neue Projekte, die dem Wohl der Menschheit und/oder des Planeten dienen.
Anl?sslich des 50-j?hrigen Jubil?ums der Rolex Oyster, der ersten wasserdichten Armbanduhr der Welt, wurde der Preis 1976 ins Leben gerufen. Wie die Rolex Oyster stehen auch die Preise und vor allem die Preistr?ger für die Werte, die Rolex seit seiner Gründung 1905 durch Hans Wilsdorf ausmachen: Qualit?t, Erfindungsgabe, Entschlossenheit und ganz besonders Unternehmungsgeist.
150 Frauen und M?nner wurden ausgezeichnet, seit die Preise erstmalig vergeben wurden. Preistr?gerinnen und Preistr?ger erhalten Unterstützung für die Weiterführung ihrer Projekte sowie Zugang zum Rolex Netzwerk.
Das Netzwerk h?rt dem Regenwald zu
Die Idee zu seiner Non-Profit-Organisation Rainforest Connection kam Topher White im Dschungel der indonesischen Insel Borneo. White besuchte dort ein Schutzreservat für Menschenaffen. Bei einem Erkundungsgang stie? er in der N?he einer Wildhüter-Station auf einen Mann, der gerade einen Baum zerlegte – illegal, aber unbemerkt, trotz Motors?ge, weil deren L?rm in der natürlichen Ger?uschkulisse des Dschungels unterging. Topher White hatte einen Einfall.
?Am erstaunlichsten“ findet White, ?dass wir alte Technologie nutzen, die niemanden interessiert“. Rainforest Connection sammelt für das Netzwerk, das insgesamt 3000 Quadratkilometer Regenwald akustisch überwacht, ausgediente Mobiltelefone. Diese werden mit hochempfindlichen Mikrofonen ausgerüstet. Eine Software, die ?hnlich wie eine App zur Musikerkennung funktioniert, vergleicht die Ger?usche des Waldes mit den akustischen Fingerabdrücken von Motors?gen, Lastwagen, Baggern oder den Warnrufen bestimmter Tiere.
Die aus alter Technik entstandenen neuartigen Ger?te k?nnen ?alle Ger?usche wahrnehmen, und mithilfe künstlicher Intelligenz k?nnen wir den L?rm von Kettens?gen, Holzlastern und Stra?enbauarbeiten herausfiltern – oder sogar die Laute gef?hrdeter Vogel- und Tierarten“, sagt White. Einmal hoch in einer Baumkrone installiert, erfassen sie Ger?usche in bis zu einem Kilometer Entfernung; die Audio-Livestreams werden in die Cloud geladen und analysiert. Verd?chtiges wird markiert.
Durch Rainforest Connection entsteht ein akustisches Naturarchiv
Doch die Waldw?chter erkennen auch Tierlaute. Biologen und Wildhüter k?nnen so die Aktivit?ten bedrohter Arten wie Gorillas oder Orang-Utans überwachen und handeln, sobald es Hinweise auf Wilderer gibt. Wenn etwa Angstschreie von Tieren zu h?ren sind oder es ungew?hnlich ruhig wird, weil bestimmte Vogelarten verstummen, sobald Menschen in der N?he sind. ?Wir sollten auch Tiere aufspüren k?nnen, die gar kein Ger?usch machen“, sagt White. ?Jaguare machen vielleicht nicht immer Ger?usche, aber die V?gel und die anderen Tiere um sie herum tun es.“
Darüber hinaus schaffen die konstant gesammelten Daten auch ein wertvolles akustisches Langzeitarchiv für die Stimmen des Regenwaldes. über Jahre hinweg l?sst sich so feststellen und dokumentieren, ob und wie sich die Artenzusammensetzung der Dschungelbewohner langfristig ver?ndert. Das passiert zum Beispiel, wenn Schneisen, Stra?en, Felder und Weiden im Wald angelegt werden und ihn so fragmentieren.
Rainforest Connection wird mittlerweile umfangreich eingesetzt. Was sein System erfasst, macht Topher White zug?nglich. Forscher kommen so auch ohne teure Expeditionen an aktuelle Daten zur tropischen Tierwelt. Für Naturliebhaber gibt es die kostenlose App ?RainforestCx“ , mit der man sich unter anderem anh?ren kann, wie der brasilianische Urwald live klingt.
Die Vernichtung von Regenwald zerst?rt nicht nur die Lebensgrundlage zahlreicher seltener Tier- und Pflanzenarten, sondern ist auch ein wesentlicher Treiber für den menschengemachten Klimawandel. Denn B?ume speichern CO2 in Bl?ttern, ?sten, St?mmen, Wurzeln. Wird ein Baum gef?llt, sterben etwa seine Bl?tter ab und das gespeicherte CO2 gelangt schnell wieder in die Atmosph?re.
Was statt der B?ume entsteht wird, zum Beispiel Felder und Weiden, kann CO2 schlechter binden als ein Wald. Auf diese Weise sind durch die Abholzung der tropischen Regenw?lder von 2015 bis 2017 rund fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr in die Atmosph?re gelangt, die W?lder ansonsten aufgenommen und gespeichert h?tten. Das entspricht etwa acht Prozent der j?hrlich weltweit von Menschen verursachten CO2-Emissionen.
Das ist nicht nur aus ?kologischer Sicht wichtig. Es geht auch um den Schutz der Kulturen und Menschen vor Ort
Für Topher White sind Urw?lder ?Bollwerke der Natur“. Sie zu bewahren, ?Korridore zu schaffen, wo der Wald sich halten kann, ist nicht nur aus ?kologischer Sicht wichtig“, sagt White. ?Es geht auch um den Schutz der Kulturen und Menschen vor Ort.“
Aktuell laufen die Planungen für einen gro?fl?chigen Einsatz von Topher Whites System im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará. Die Tembé, ein Volk indigener Einwohner, wollen dort mithilfe von White 60.000 Hektar Regenwald in ihrem Reservat vor illegalem Holzeinschlag, Wilderei und Drogenschmuggel schützen.
White bereitet mit Rainforest Connection mehr als 60 neue Projekte vor. Die überwachte Regenwald-Fl?che soll sich auf 6000 Quadratkilometer verdoppeln. Topher White rechnet vor: Der Umwelteffekt entspricht demnach der Stilllegung von sechs Millionen Autos – 400 Millionen B?ume werden geschützt und 30 Millionen Tonnen CO2 gebunden.